Der Diaetologische Prozess
Diaetologinnen und Diaetologen besitzen die fachlich-methodischen Kompetenzen zur eigenverantwortlichen Durchführung des diaetologischen Prozesses und zum eigenverantwortlichen Handeln im Ernährungs- und Verpflegungsmanagement gemäß MTD-Gesetz § 2 Abs. 4.
Der diaetologische Prozess beschreibt das fachlich-methodische Handeln von Diaetologinnen und Diaetologen und zeigt die berufsspezifische Verantwortung im Rahmen der medizinischen Gesamttherapie auf. Er zielt darauf ab, den ernährungsbezogenen Gesundheitszustand von Personen wiederherzustellen, zu erhalten oder zu verbessern und ihre Gesundheitskompetenz zu stärken. Bei Vorliegen einer medizinischen Diagnose ist laut MTD-Gesetz § 2 eine ärztliche Zuweisung erforderlich.
Der diaetologische Prozess umfasst die einzelnen Prozessschritte:
- Diaetologisches Assessment
- Diaetologische Diagnose
- Diaetologische Zielsetzung
- Diaetologische Intervention
- Monitoring und Outcomes-Evaluation
Darüber hinaus spielen prozessbegleitende Anforderungen (das Clinical Reasoning, die interprofessionelle Zusammenarbeit und das Nahtstellenmanagement), sowie qualitätssichernde Maßnahmen im Rahmen eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (Planen, Durchführen, Prüfen und Verbessern), dem PDCA-Zyklus, eine wesentliche Rolle.
Die Prozessschritte
DIAETOLOGISCHES ASSESSMENT
Das diaetologische Assessment als erster Schritt des diaetologischen Prozesses verfolgt einerseits den Zweck, ernährungsrelevante Informationen zum Ernährungszustand zu gewinnen und zu strukturieren, andererseits diese Daten anhand von Referenzwerten, Leitlinien und Behandlungsstandards zu beurteilen. Es bildet die Grundlage für die nachfolgenden Schritte im diaetologischen Prozess.
Ergebnisse der Arbeitsschritte sind:
- Ein wertschätzender Kontakt zu Klientinnen und Klienten und / oder zu den Vertrauenspersonen ist hergestellt.
- Alle relevanten Informationen (basierend auf der ärztlichen Zuweisung oder der Fragestellung) sind nach den Komponenten des bio-psycho-sozialen Modells der ICF erhoben und strukturiert:
- Körperfunktionen und Körperstrukturen (Medizinische Informationen)
- Aktivitäten (Informationen des Ernährungs- und Lebensstilverhaltens)
- Partizipation / Teilhabe (Informationen des Sozialverhaltens)
- Umweltfaktoren (wie Medikamente, Einstellungen und Unterstützung von anderen)
- Personenbezogene Faktoren (wie Alter, Beruf, Bildungsstand, Wissen, Einstellungen, Diäthistorie, aktuelle Ernährungsform).
- Relevante Daten sind anhand aktueller Leitlinien, Behandlungsstandards und Referenzwerte beurteilt.
- Abweichungen von Normwerten und das verwendete Erhebungs- bzw. Messinstrument sind dokumentiert.
- Wechselwirkungen zwischen den Komponenten des bio-psycho-sozialen Modells der ICF sind dokumentiert.
DIAETOLOGISCHE DIAGNOSE
Die diaetologische Diagnose wird auf Basis der Assessmentinformationen erstellt und hat den Zweck das priorisierte Ernährungsproblem mit dessen Ursache(n) und Symptomen / Anzeichen sowie Förderfaktoren und Barrieren zu beschreiben (PES-FB Beschreibung). Ernährungsprobleme werden identifiziert, welche eigenverantwortlich durch Diaetologinnen und Diaetologen gelöst oder verbessert werden können. Nach der Priorisierung eines Ernährungsproblems erfolgt die PES-FB Beschreibung. Auf Basis der priorisierten diaetologischen Diagnose werden in der Folge das Interventionsziel sowie die Handlungs- und Maßnahmenziele festgelegt.
Ergebnisse der Arbeitsschritte sind:
- Das priorisierte Ernährungsproblem (basierend auf der ärztlichen Zuweisung und den Assessmentdaten) ist identifiziert und dokumentiert.
- Liegt kein Ernährungsproblem vor, ist dies dokumentiert und die Behandlung abgeschlossen oder zusätzliche Informationen eingeholt.
- Die Ursachen des Ernährungsproblems (vor allem diaetologisch modifizierbare) sind identifiziert und dokumentiert.
- Die Symptome / Anzeichen, welche belegen, dass das Ernährungsproblem vorliegt, sind festgelegt und dokumentiert.
- Förderfaktoren und Barrieren sind identifiziert und dokumentiert.
DIAETOLOGISCHE ZIELSETZUNG
Mit der diaetologischen Zielsetzung werden in Abhängigkeit des Ernährungsproblems und seinen Ursachen künftig erwünschte Behandlungs- und Maßnahmenergebnisse mit geeigneten Indikatoren definiert. Damit werden die Voraussetzungen für die Auswahl und die Evaluierung (Monitoring und Outcomes-Evaluation) der diaetologischen Intervention geschaffen. Darüber hinaus ist das Setzen von Maßnahmenziele mit Klientinnen und Klienten bei notwendiger Verhaltensänderung ein wesentlicher Faktor für die Motivation.
Ergebnisse der Arbeitsschritte sind:
- Bei Vorliegen einer Erkrankung sind die langfristigen diaetologischen Behandlungsziele (gemäß entsprechender Leitlinie oder Behandlungsstandards) dokumentiert.
- Das Interventionsziel mit dem Fokus auf das Lösen oder Verbessern des Ernährungsproblems (der priorisierten diaetologischen Diagnose) ist festgelegt.
- Die kurzfristigen diaetologischen Handlungsziele (basierend auf den Ursachen des Ernährungsproblems) sind festgelegt.
- Interventions- und Handlungsziele sind partizipativ mit Klientinnen und Klienten abgesprochen (außer bei Nichtansprechbarkeit) und dokumentiert.
- Für die Interventions-, Handlungs- und klientinnen- und klientenzentrierten Maßnahmenziele, sind Indikatoren (ICF-Diätetik Kategorien), Ernährungserhebungsmethoden bzw. Messinstrumente, Ausgangs- und Zielwerte, sowie die Häufigkeit der Messungen (Monitoring-Termine und Outcomes-Evaluation) dokumentiert.
DIAETOLOGISCHE INTERVENTION
Die diaetologische Intervention hat den Zweck, das Ernährungsproblem auf Basis von aktuellen evidenzbasierten Leitlinien aufgrund der definierten diaetologischen Ziele und in Absprache mit Klientinnen und Klienten sowie in Abhängigkeit ihrer Gesundheitskompetenz zu lösen oder zu verbessern.
Ergebnisse der Arbeitsschritte sind:
- Der diaetologische Handlungsbedarf (Intervention und konkrete Handlungen) ist geplant und dokumentiert.
- Klientinnen und Klienten sind über die Therapiemöglichkeiten und Therapiemaßnahmen aufgeklärt.
- Bei erforderlicher Verhaltensänderung sind klientinnen- und klientenzentrierte Maßnahmenziele partizipativ erarbeitet und dokumentiert.
- Für jedes Ziel sind konkrete Maßnahmen mit den Klientinnen und Klienten vereinbart und dokumentiert.
- Die Gesundheitskompetenz der Betroffenen ist in der Planung und Zielsetzung mitberücksichtigt.
- Klientinnen und Klienten sind in der Zielbindung (Zielverpflichtung) und Motivation für die Umsetzung unterstützt.
- Die diaetologische Intervention ist entsprechend evidenzbasierter Praxis durchgeführt und dokumentiert.
- Eine Vertrauensperson ist, wenn notwendig, miteinbezogen.
MONITORING UND OUTCOMES-EVALUATION
Mit dem Monitoring wird systematisch prozessbegleitend die Umsetzung der Intervention und die Adhärenz / Compliance der Klientinnen und Klienten überprüft sowie laufend der Fortschritt (Verbesserung oder Verschlechterung) der vorher festgelegten Indikatoren der Handlungs- und Maßnahmenziele bewertet, um zeitnah reagieren und bei Bedarf adaptieren zu können. Durch die Rückmeldung an Klientinnen und Klienten können diese in den Prozess einbezogen und ihre Motivation gefördert werden.
Mit der Outcomes-Evaluation werden abschließend vordefinierte Indikatoren dahingehend überprüft und bewertet, ob die Interventionsmaßnahmen innerhalb eines festgelegten Zeitpunktes erfolgreich waren. Damit kann eine Aussage getätigt werden, ob das Interventionsziel erreicht und somit das priorisierte Ernährungsproblem gelöst oder verbessert wurde. Auf diese Weise dient die Outcomes-Evaluation dazu, über Abschluss oder Fortsetzen der Therapie zu entscheiden.
Darüber hinaus können diese Outcomes-Daten in Zukunft zur Beurteilung der Effektivität, Effizienz und Nachhaltigkeit von diaetologischen Interventionen herangezogen und somit zur Optimierung des diaetologischen Prozess und der individuellen Betreuung genützt werden.
Ergebnisse der Arbeitsschritte sind:
- Die vorab definierten diaetologischen Behandlungsziele und klientinnen- und klientenzentrierten Maßnahmenziel sind bei Bedarf adaptiert.
- Das geplante Monitoring ist durchgeführt und dokumentiert.
- Notwendige Adaptierungen der Intervention sind durchgeführt.
- Die Outcomes-Evaluation ist durchgeführt und dokumentiert.
- Die Therapie ist beendet oder entsprechende Handlungen zum Fortsetzen der Therapie gesetzt.
Prozessbegleitenden Anforderungen
Die prozessbegleitenden Anforderungen spielen während des gesamten diaetologischen Prozesse eine Rolle:
Das Clinical Reasoning umfasst therapeutische Denk-, Handlungs- und Entscheidungsprozesse.
Die interprofessionelle Zusammenarbeit umfasst das Abstimmen der unterschiedlichen Berufsgruppen unter Einbringen der jeweiligen Kompetenzen im Gesamttherapiekonzept.
Das Nahtstellenmanagement umfasst das Evaluieren, Definieren und Organisieren von Situationen an denen ein Verantwortungswechsel stattfindet.
Qualitätssichernde Maßnahmen
Die qualitätssichernden Maßnahmen (Dokumentation, Prozessevaluierung und Reflexion) des diaetologischen Prozesses dienen zur Sicherstellung der Behandlungsqualität und der Behandlungskontinuität und einer kontinuierlichen Verbesserung im Sinne des PDCA-Zyklus. Der PDCA-Zyklus integriert neben dem eigentlichen Prozess, strukturelle Rahmenbedingungen und Anforderungen, wie z.B. Ressourcen, Kompetenzen und Qualifikationen, Gesetze, Berufsethik, Leitlinien, Beratungsstandards (Prozess-INPUT), genauso wie die Dokumentation und die Therapieberichte (Prozess-OUTPUT).
Die Dokumentation ist gesetzlich im MTD-Gesetz BGBl. Nr. 460/1992 definiert und stellt somit eine Berufspflicht dar.
Ergebnisse der Arbeitsschritte sind:
- Die Dokumentation ist auf Vollständigkeit geprüft.
- Der Therapiebericht ist erstellt und weitergeleitet.
- Die Prozessevaluierung ist durchgeführt und notwendige Verbesserungen dokumentiert und ggf. umgesetzt.
- Clinical Reasoning Fragen sind reflektiert, notwendige Verbesserungen dokumentiert und ggf. umgesetzt.
Quellenverweis:
Entnommen aus: Gäbler G, Hofbauer A (Hrsg). Der Diaetologische Prozess. Qualitätsstandard für die diaetologische Praxis. 1. Auflage.
Wien: Verband der Diaetologen Österreichs; 2020.
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